#61 schwitzen statt Schnee in Takayama

Schon fast ein wenig traurig verlassen wir Tokio. Nicht, dass wir das Gefühl haben, etwas nicht besucht zu haben, es ist viel mehr das Flair den wir vermissen werden. Aber zu groß ist die Neugier, was das Land noch zu bieten hat. Japan ist eines der wenigen Länder, die wir bereits vor Antritt unserer Reise geplant haben, um so möglichst passende bzw. günstige Hotels zu finden. Ist unsere Reisezeit eigentlich noch zu früh für die Blütenpracht haben wir uns von unserem zweiten Stopp in Takayama noch ein wenig Schnee erhofft. Stattdessen haben wir Pflaumen blühen sehen und erwarten nun einen Regen-Schnee-Mix in den kommenden Tagen.

Japan lässt sich vor allem besonders leicht durch den berühmten Railway-Pass bereisen. Lange haben wir Internet und Reiseführer durchsucht, alle empfehlen den Kauf des Passes, nur wenige das Nachrechnen. Obwohl wir planen durch das ganze Land zu reisen, scheinen wir mit dem Einzelkauf der Tickets günstiger zu sein. Nebenbei bemerkt wurde uns diese Entscheidung abgenommen, da der Reisepass vor Antritt der Reise gebucht werden muss, das haben wir schlichtweg versäumt. Also beten wir inständig vor dem JR-Ticketschalter, dass die Dame gleich den von uns kalkulierten Betrag in ihren Taschenrechner gibt. Bemühen wir uns noch sehr uns der Kultur des jeweiligen Reiselandes anzupassen, gelingt uns in diesem Moment keine japanische Zurückhaltung. Lautstark atmen wir aus. Das ist deutlich mehr als erwartet. Umgerechnet 150 Euro pro Person zahlen wir und erhalten dafür drei Tickets. Verstört fragen wir nach wofür das dritte Ticket ist. Wir verstehen ihre freundliche Antwort nicht, nicken und schleichen mit gesenktem Kopf aus der geordneten Warteschlange.

Es dauert noch knapp eine Stunde bis unser Zug fährt, die Stunde brauchen wir auch um uns mit dem eben bezahlten Preis anzufreunden. Der Bahn-Pass für 7 Tage hätte uns ca. 250 Euro pro Person gekostet, müssen wir also die übrigen Strecken in Summe unter 100 Euro bewältigen. Es siegt die Einsicht, dass es nicht mehr zu ändern ist, genießen wir lieber die Vorfreude auf unsere erste Shikansen Fahrt. Ein Schaffner hilft uns den passenden Wagon zu finden, auf eine Sitzplatzreservierung haben wir beim stolzen Fahrpreis lieber verzichtet. Tatsächlich gibt es drei Wagen ohne Reservierungen für „Sparfüchse“ wie uns. Das Warten verläuft wie mittlerweile gewohnt geordnet, während wir anstehen können wir beobachten wie im Zug die Lätzchen der Kopflehne ausgetauscht werden. Ohne falsche Unterstellungen betreiben zu wollen, vermuten wir das dies in Deutschland nur alle Jubel Jahre erfolgt.

Geht es ans Einsteigen und Sitzplatz finden sind Japaner überraschend flink und zielstrebig. Durch unsere Backpacks haben wir einen Masse-Vorteil und erobern einen Zweiersitzplatz. Es dauert nicht lang und schon zieht Tokio an uns vorbei. Dominik packt den Laptop aus, um einen Reisebericht zu schreiben, Jasmin starrt aus dem Fenster. Offensichtlich verlassen wir gerade die Stadt, denn der Zug beginnt zu fliegen. Ist der ICE mit 300 km/h in Deutschland nicht wesentlich langsamer als der Shikansen mit 320 km/h, ist das Fahrgefühl doch eher wie das einer gleitenden Achterbahn. Jasmin schließt die Augen und wird in einen ohnmächtigen Schlaf geschüttelt, auch Dominik muss sich geschlagen geben und den Laptop schließen. Nur durch Zufall schauen wir aus dem Fenster, als wir gerade den Fuji passieren. Der Februar ist der beste Monat um den Vulkan ohne Wolken in seiner gänzlichen Schönheit zu sehen. Es ist strahlender Sonnenschein, wir hatten nicht erwartet ihn vom Zug aus so gut betrachten zu können. Ein staunendes „Wow“ entfährt uns. Gemütlich wird die Fahrt dennoch nicht, aber effizient ist sie. Schon nach etwas über 1,5 Stunden sind wir in Nagoya.

Wir steigen um in einen kleineren Zug. Es sind keine 10 Personen im Wagon, gemütlich rüttelt er aus dem Bahnhof, das ist schon eher unser Ding. Wir beobachten wie die Landschaft immer hügliger und leider auch wolkiger wird. Wir kommen dem Schneematsch näher. Nach einiger Fahrtzeit ertönt eine freundliche Frauenstimme aus den Lautsprechern, die uns auf Englisch freundlich darauf hinweist, dass wir gleich auf der rechten Seite aus dem Fenster schauen sollen. Was es zu sehen gibt haben wir nicht verstanden, gebannt starren wir Richtung Scheibe. Tatsächlich sehenswert taucht nach der nächsten Kurve plötzlich eine große Schlucht auf, durch die sich klares Wasser schlängelt. Die Fahrt bleibt so. Wird Sri Lanka oft als das Land der schönen Zugfahrten beschrieben, haut uns Japan erneut vom Hocker. Vielleicht liegt es daran, dass die Natur vertraut heimisch wirkt und wir uns nach klarer Luft, grünen Wäldern und klaren Flüssen gesehnt haben. Immer wieder passieren wir rote Brücken, die Schienen schlängeln sich mit dem Fluss im Wechsel an den Bergen entlang. Wie so oft ist hier der Weg das Ziel.

In Takayma sind es nur wenige Gehminuten bis zum Hotel. Der Ort wirkt beschaulich, nur wenige Menschen sind auf der Straße, es ist aber auch kalt! Es ist die teuerste Unterkunft unserer ganzen Reise. Ein Spa Hotel mit eigenem Onzen. Hätten wir lieber authentisch japanisch übernachtet, war die Angst zu groß hinter den dünnen Häuserwänden zu frieren. Die Schiebetür des Hotels öffnet sich, ein warmer Luftstrom verhindert schon fast das Atmen, frieren werden wir hier nicht. Wie überall in Japan läuft gedämpfte Musik im Eingang, es duftet himmlisch, wir werden erfrischend und freundlich begrüßt. Der Eindruck bleibt als wir unsere Zimmertür öffnen, es duftet, der TV dudelt leise Jazz Musik, das Zimmer ist indirekt beleuchtet. Uhh, es ist Zeit zu entspannen.

Noch am Abend erkunden wir die ersten Straßen Takayamas, laufen durch die Sanmachi Suji. Es wirkt weit weniger touristisch als erwartet, eher bewohnt und belebt, wenn auch die meisten Läden gerade geschlossen haben. Und so stolpern wir schon eher durch Zufall in kleines Restaurant mit einheimischer Küche. Schon oft gelesen, können nun endlich auch wir unser Essen am Automaten auswählen und bezahlen. Die Tickets nimmt uns die Kellnerin ab, wir suchen uns einen Tisch, um uns herum nur Japaner, klasse! Es ist irgendwie schummrig und unfassbar gemütlich. Wir haben uns Gyoza zur Vorspeise und eine Suppe sowie gebratene Nudeln bestellt. Wie so oft darf Dominik sein selbst gewähltes Gericht nicht essen, Jasmins Suppe ruft bei ihre keine Begeisterung hervor. Wir tauschen, beide sind zufrieden, die Gyoza eine Offenbarung.

Abends ist die Hauptbadezeit im Onzen, dennoch wollen wir es vor dem zu Bett gehen ausprobieren. Den Rezeptionisten hatten wir zuvor um eine theoretische Einführung in die Baderegeln gebeten. Wir wollen uns schließlich nicht blamieren. Herren und Damen gehen hier getrennt ins Bad, Jasmin muss sich den Zutritt mit einem PIN Code verschaffen. Bereits im Zimmer sind wir in unsere „Bademäntel“ geschlüpft, die wir im Raum vor dem Bad jeweils ablegen. Für jeden gibt es ein Körbchen für die eigenen Habeseligkeiten, das kleine Handtuch kommt mit ins Bad. Beim Betreten können damit alle Körperteile versteckt werden, die nicht offen präsentiert werden sollen, während der Badezeit legt man es sich einfach auf den Kopf. Im Bad selbst, gibt es 6 kleine Hocker, auf denen man Platz nimmt, um sich vor dem Bad zu waschen. Mit kurzen Blicken zur Seite schauen wir uns das richtige Verhalten ab. Unsere einheimischen „Vorbilder“ nehmen die Vorwäsche sehr ernst und so dauert es seine Zeit bis sie in das heiße Becken steigen. Wir tuen es ihnen gleich und fühlen uns mit der sitzenden Dusche wie im Waschraum eines deutschen Kindergartens. Die erste Onzen Erfahrung war eher gehemmt.

Die Planung für den folgenden Tag ist leicht, unser Hotel bietet Stadtkarten mit vorgeschlagenen Routen an. Den Higashiyama Walking Kurst wollen wir sowieso ablaufen, die Karte nimmt uns die Arbeit ab. Der Weg führt uns gute zwei Stunden vorbei an Tempeln und alten Wohnhäusern des ehemals ländlicheren Vororts. Auch in Takayama sind die historischen Gebäude irgendwie Teil der Stadt, sie integrieren sich in die Umgebung, ohne als Sehenswürdigkeit wirklich herauszustechen. Zwischendurch schneit es sogar ein klein wenig. Kurioseste Sichtung ist dennoch ein Schild, auf denen vor Bären gewarnt wird. Wir kürzen unsere Route ein wenig ab und laufen nicht durch den Wald, sondern durch die Stadt zurück.

Am Nachmittag trennen sich unsere Wege, während Jasmin im Onzen schwitzt, erkundet Dominik die andere Seite der Stadt. Die alten Burgruinen sind entweder unglaublich unspektakulär oder er konnte sie einfach nicht finden, der ausgewiesene Ort bietet dafür einen schönen Ausblick auf die Stadt. Die grauen und beigen Häuser sind bei dem Wetter zwar nicht sonderlich schön, die Berge, von denen sie eingeschlossenen werden aber um so schöner. Ebenfalls ein Teil der Runde ist der Sakurayama Hachimangu Shrine, ein wunderschöner hölzerner Tempel.

Die paar Schneeflocken, die uns noch bei unserer Tour durch Takayama begleitet haben, sind inzwischen strömenden Regen gewichen. Dominik ist nach seinem Spaziergang auf der Suche nach einem Abendessen. Auch heute sind viele Restaurants geschlossen, die geöffneten sind entweder weit über dem Budget oder sagen nicht zu. Sushi essen muss verschoben werden, tropfend rettet er sich in einen Burger Restaurant. Schon wieder amerikanisches Fast Food! Zurück im Hotel probieren genießen wir gemeinsam das Abendessen. Japan kann auch Burger.

Um 7 Uhr klingelt am nächsten Morgen der Wecker. Neben dem Onzen verfügt das Hotel auch über einen Fitnessraum, welchen Dominik vor der Abreise ein weiteres Mal nutzt. So schwitzt hier jeder auf seine Weise. Der zweite Anlauf im Onzen war deutlich erholsamer. Jasmin könnte sich daran gewöhnen. Nach der Sporteinheit genießen wir noch einmal das Frühstück im Hotel. Neben ein paar Auszügen eins interkontinentalen Frühstücks, gibt es auch zahlreiche einheimische Spezialitäten. Auf kleinen Tablets mit 6 Mulden, die einer Farbmischplatte ähneln, häufen sich die japanischen Gäste Häppchen der einzelnen Speisen. Nudeln werden gekonnt zu kleinen Türmen gedreht und Salate perfekt portioniert, Dominik hingegen produziert Haufen. Jasmins Lachen fällt unangenehmen auf. Auch beim Frühstück sind die Japaner zurückhaltender, obwohl sie sich untereinander unterhalten, sind sie nicht zu hören. Gestärkt laufen wir Richtung Bahnhof, auch wenn der erhoffte Schnee ausgeblieben ist, war Takayama ein schönes Reiseziel.